Expertise von Daniela Kudernatsch

Man muss wissen, dass beide Ansätze nicht neu sind. Hoshin Kanri kommt aus den 60er Jahren und OKR aus den 70ern. Beide Ansätze fußen auf den Prinzipien von Management by Objectives, der auf Peter Drucker zurück geht.

Zunächst könnte man meinen, dass den OKRs eine komplett andere Philosophie wie dem Hoshin Kanri-Ansatz zu Grunde liegt. Setzt man sich jedoch tiefer mit dem OKR-Konzept auseinander, fällt sehr schnell auf, dass sich beide Methoden sogar sehr gut ergänzen können.

Beides sind Ansätze, die dazu dienen, die Strategie und die Unternehmensziele in der Organisation zu verankern und die versuchen die Organisation danach auszurichten. Und das vor allem sehr stark bottum-up geprägt, durch intensive Einbindung der Mitarbeiter.

Dennoch kristallisieren sich schnell zwei wesentliche Unterschiede heraus. Zum einen werden bei der OKR-Methode durchgängig alle Ziele nicht auf das Jahr beplant, sondern es werden lediglich für das kommende Quartal Ziele festgelegt und bei Erreichung nach jedem Quartal neu definiert. Ein weiterer Unterschied liegt darin begründet, dass zwar OKR, ähnlich wie die BSC, dafür wirbt die Ziele bis auf die unteren Ebenen herunterzubrechen. Dennoch konnte bisher noch keine Vorgehensweise oder Regelung gefunden werden, wie dies explizit funktioniert.

Inhaltsverzeichnis

Grundidee von OKR

Ähnlich wie Hoshin Kanri oder BSC handelt es sich bei der OKR-Methode nicht um ein neues Konzept. Die Methode geht zurück auf die 80er Jahre. Andy Grove, ein ehemaliger Manager bei Intel, hat auf Basis von MbO ein Konzept zur Umsetzung der Strategie „Wir wollen der weltweite Marktführer werden“ entwickelt. Wesentliche Erfolgsfaktoren lagen für ihn in der Einfachheit, der Flexibilität und der Einbindung der Mitarbeiter. So definierte er zwei simple Fragen, die es von jedem im Unternehmen zu beantworten galt: „Wo will ich hin?“ (Objectives) und „Wie messe ich, ob ich mein Ziel erreicht habe?“ (Key Results).

Der Planungsprozess gestaltet sich folgendermaßen: Ausgehend von der Strategie werden vom Management maximal 5 Ziele (Objectives) für das kommende Quartal festgelegt. Dieses werden durch maximal 4 Messgrößen (Key Results) operationalisiert, um den Fortschritt bis zum Ende des Quartals zu messen.

· Objectives sind definiert als das „WAS“ es in dem folgenden Quartal zu erreichen gilt. Sie geben somit die Richtung vor und sind eher qualitativ definiert. Dabei sollen sie sehr ambitioniert aber doch motivierend formuliert sein.

· Key Results geben an, „WIE“ das Quartalsziel erreicht werden soll. Es sind messbare Schlüsselergebnisse, die regelmäßig eine Auskunft über den aktuellen Fortschritt geben sollen. Am Ende des Quartals wird reflektiert, ob die Key Results erfüllt oder nicht erfüllt sind.

Folgendes Beispiel soll dies veranschaulichen:

Objective: Sicherstellen der Lieferperformance

Key Result 1: Erhöhung der Maschinenverfügbarkeit von 80% auf 85%.

Key Result 2: Sicherstellung der Materialverfügbarkeit von 100%.

Key Result 3: Reduzierung des Rückstands bei bestätigten Terminen auf < 2 AT

Key Result 4: Einführung eines 13 Monats-Forecast

Quartalsweise Planung OKR vs. Jahresplanung

Vergleicht man die OKR-Logik mit dem Hoshin Kanri-Ansatz kommt man wie bereits erwähnt rasch zu Gemeinsamkeiten. In der Hoshin Kanri-Logik würde das Objective dem ebenso qualitativ definierten Improvement Priority entsprechen. Die Key Results sind demzufolge den Success Indicators (Erfolgsindikatoren) gleichzusetzen. Insofern sind beide Ansätze mit dem „Was wollen wir erreichen“ und „Wie machen wir es messbar“ an dieser Stelle sehr ähnlich.

Ein Unterschied besteht darin, dass Hoshin Kanri versucht durch möglichst wenige Success Indicators das jeweilige Improvement Priority messbar zu machen, um einen direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang herzustellen. Bei OKR können bis zu vier Key Results als Messgrößen für ein Objective festgelegt werden, was zu einer unzureichenden Bewertung der Erfolgswirkung führen kann. Daneben bergen die vielen Key Results pro Objectives die Gefahr, dass zum einen ein hoher Aufwand bei der Datenerfassung entsteht und zum anderen auf den oberen Ebenen sehr schnell operative Messgrößen definiert werden, die eher auf den unteren Ebenen relevant wären.

Beurteilung der Zielerfüllung

Wie oben schon dargestellt zeigt sich ein weiterer wichtiger Unterschied: Die Objectives sind auf das kommende Quartal ausgelegt, während die Ziele und Improvement Priorities bei Hoshin Kannri zumindest auf den oberen Ebenen auf ein Jahr ausgerichtet sind. Beides birgt Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite kann es sinnvoll sein, dem Unternehmen und der Belegschaft eine klare Richtung im Sinne von mindestens Jahreszielen zu geben. Dies verstärkt der Hoshin Ansatz dadurch, dass sogar Dreijahres-Durchbruchziele auf Basis der Strategie definiert werden. Manche Organisationen würden sich schwertun, das Unternehmen lediglich mit Quartalszielen zu führen. Dieser Steuerungscharakter wird eher Start-up-Unternehmen zugeschrieben. Welcher Planungshorizont Sinn macht, sollte immer in Abhängigkeit des Unternehmens und der vorliegenden Ausgangssituation definiert werden. Die Erfahrung bei Hoshin Kanri zeigt jedoch, dass je tiefer man in die Organisation vordringt, auch Improvement Priorities einen kurzzyklischen Charakter von zum Beispiel drei Monaten erfahren.

Dennoch können zwei weitere Gründe für die quartalsweise Planung bei OKR sprechen: Erstens kommt dies noch mehr dem Gedanken der Agilität und der Stärkung der flexiblen Ausrichtung einer Organisation entgegen. Zweitens werden Führungskräfte und Mitarbeiter ganz klar angehalten zu definieren, was sie für das Quartal vorhaben, aber noch viel wichtiger, was sie in dieser Zeit definitiv nicht umsetzen bzw. „on hold“ lassen. Das zwingt zu Priorisierung.

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Top down/bottom up-Prozess vs. Zieltransformation

Generell empfiehlt die OKR-Methode von einer Verknüpfung mit dem Entlohnungs- bzw. Vergütungssystems abzusehen. Das liegt insbesondere darin begründet, dass die Ziele und die damit verbundenen Key Results sehr ambitioniert definiert werden. Eine Erreichung von 100% sollte so gut wie unmöglich sein. Hintergrund ist es, Mitarbeiter zu animieren, in anderen und neuen Lösungsmöglichkeiten zur Zielerreichung nachzudenken. Die Zielerreichung für die Key Results sollte in etwa mit folgenden Schwellenwerten hinterlegt werden:

100% Erreichung: Ein Key Result sollte nur in Ausnahmefällen zu 100% erreicht werden. Ein Nicht-Erreichen bedeutet, dass an einem ambitionierten Ziel gearbeitet wird.

60-70% Erreichung: Das Ziel wurde zwar nicht erreicht, zeigt aber auf, dass ein beachtlicher Fortschritt über das Quartal hin erreicht wurde. Somit ist alles im grünen Bereich.

40% Erreichung: Die Zielerfüllung des Key Results wurde untertroffen und innerhalb des Quartals wurde ein unzureichender Fortschritt erreicht. Das Ziel gilt als nicht erfüllt und kann ggf. in das nächste Quartal mitübernommen werden.

Grundsätzlich verfolgt der Hoshin-Ansatz durch das Formulieren von Durchbruchzielen und das damit notwendige Denken in komplett anderen Lösungswegen eine ähnliche Philosophie. Im engeren Sinne bedeutet auch bei Hoshin Kanri eine grüne Ampel, dass möglicherweise das Ziel nicht hoch genug gesetzt wurde. Insofern sind rote Ampeln im Bowling Chart nicht schlimm – im Gegenteil. Das Problem liegt jedoch darin begründet, dass viele Führungskräfte und Mitarbeiter mit dieser anderen Sichtweise auf die Zielerreichung „rote Ampel bedeutet gut“ nicht umgehen können. Dies liegt stark in der Kultur aber auch im Reifegrad der Organisation begründet. Deswegen ist die Empfehlung, dass sich das Management bereits vor der Einführung sowohl von Hoshin Kanri als auch von OKR Gedanken macht, wie mit dem Setzen von Schwellenwerten umgegangen wird.

Cross-funktionaler Zielabgleich

Sind nun beim OKR-Ansatz auf der obersten Ebene (zum Beispiel Geschäftsführung) die maximal 5 Objectives und die jeweils max. 4 Key Results festgelegt, gilt es diese an die nächste Ebene (zum Beispiel Bereiche) zu kommunizieren und herunterzubrechen. Eine klar definierte Vorgehensweise oder konkrete Regeln sieht OKR hierfür nicht vor. Wichtig gilt es jedoch hervorzuheben, dass es kein reiner Top down Ansatz ist. OKRs versuchen einen reinen Top down-Prozess zu vermeiden, um nicht autokratisch Ziele für die Belegschaft vorzugeben. Vielmehr sollen die Führungskräfte und Mitarbeiter aktiv in den Prozess eingebunden werden. So gilt folgende Faustregel: circa 60% der Ziele kommen von oben und circa 40% dürfen bottom up definiert werden. Das bedeutet also, dass die nächste Ebene neben den von oben kommenden Zielen dürfen auch Ziele definieren, wo man der Meinung ist, dass sie zusätzlich auf das übergeordnete Ziel einzahlen. All das mündet anschließend in eine Art „Verhandlungsprozess“ zwischen der oberen und unteren Ebene.

Abbildung 1: Zielableitung bei OKR

Hoshin Kanri versucht die Einbindung der nächsten Ebene dadurch zu meistern, indem beinflussbare Lösungsansätze gefunden werden sollen, wie diese Ziele erreicht werden können. Ein expliziter Anteil von separaten bottom-up Lösungsansätzen sieht der Hoshin-Ansatz auch aus Gründen einer unzureichenden Priorisierung nicht vor.

Ein wesentlicher Bestandteil der OKR ist es, dass alle definierten Objectives und Key Results im gesamten Unternehmen veröffentlicht werden. Das bedeutet, dass jeder Mitarbeiter einen Einblick in die OKRs der Geschäftsführung, von anderen Bereichen, Abteilungen etc. hat. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht an widersprüchlichen Zielen gearbeitet wird. Eine explizite Regelung, wie die horizontale Abstimmung abläuft gibt es so nicht. Hingegen wird im Rahmen des Planungsprozesses bei Hoshin Kanri ein wesentliches Augenmerk darauf gelegt, wer zum Beispiel für die Umsetzung einer Improvement Priority die Hauptverantwortung hat und wer als unterstützende Funktion hinzugezogen werden muss.

Unterjähriger Umsetzungsprozess

Beide Ansätze sind hinsichtlich der unterjährigen Umsetzung sehr agil gestaltet. Während Hoshin Kanri der kurzzyklischen Methode der PDCA-Zyklen folgt, erinnert die Umsetzung bei der OKR eher der Scrum bzw. Sprint-Logik. Dennoch ist die grundlegende Idee die gleiche: Plane für den nächsten Zeitraum, setze um und prüfe dein Ergebnis und setze dich insbesondere damit auseinander, was Du gelernt hast. Abbildung 2 zeigt, wie sich der unterjährige Umsetzungsprozessbei OKR generell gestaltet. Jedes Quartal werden die OKRs neu geplant. Vor Ende des ersten Quartals werden bereits die OKRs für das zweite Quartal definiert und finalisiert. Dazwischen findet die Beurteilung der Zielerreichung der OKRs statt. Noch im ersten Monat des Folgequartals erfolgt die Präsentation der Zielerreichung aus Q1 und die Vorstellung der OKRs für Q2. Anschließend wird in die nächste Umsetzungsphase gestartet. Vorteil dieser Vorgehensweise liegt wie bereits schon erwähnt in der kurzzyklischen Ausrichtung der Ziele auf die jeweiligen Quartale. Auf der anderen Seite darf der Aufwand für die Festlegung der OKRs – und das auf jeder Ebene! – nicht unberücksichtigt bleiben.

Abbildung 2: Der unterjährige Umsetzungsprozess bei OKR

Implementierung von Hoshin Kannri und OKR

Die Praxis hat gezeigt, dass sich beide Ansätze hervorragend ergänzen können und in keinster Weise als Widerspruch verstanden werden müssen. Vielmehr können sie in der Verknüpfung eine volle Wirkung entfalten. So bietet der Hoshin Ansatz durch seine stärkere Verknüpfung der Jahresziele mit den Durchbruchszielen und damit zur Strategie eine sehr gute Basis für die kurzzyklische Planung. So kann beispielsweise auf der obersten Ebene mit der Erarbeitung der X-Matrix gestartet werden. Dabei können bereits auf der obersten Ebene die Improvement Pirorities auf Quartalsbasis definiert werden. Mit der Logik der Zieltransformation von Hoshin Kanri kann es dann gelingen, einen systematischen Ansatz zum Herunterbrechen der Ziele auf alle Ebenen inkl. der horizontalen Abstimmung zu gewährleisten. Die Veröffentlichung der Ergebnisse kann zudem den Alignment-Prozess positiv bestärken. Beide Ansätze forcieren ein kurzzyklisches und agiles Auseinandersetzen mit der Zielerreichung. Entschließt sich ein Unternehmen auf Quartalsbasis zu planen, muss es natürlich auch den erhöhten Aufwand zur Neuformulierung der Quartalsziele in Betracht ziehen.

Hoshin KanriOKR
Explizite Ableitung von max. 3 Durchbruchzielen auf 3-5 Jahre ausgehend von der StrategieKein explizierter Fokus auf Mehrjahresziele, es wird dennoch proklamiert, dass OKR zur Umsetzung der Strategie dienen soll
Ableitung von Jahreszielen und Jahres-Improvement Priorities aus der StrategieFokus auf Ziele, die für das kommende Quartal definiert werden
Der Fortschritt der Improvement Priorities wird durch Success Indicators messbar gemachtDer Fortschritt der Objectives wird durch Key Results messbar gemacht
Klare Vorgehensweise und Methode zur Zieltransformation sowohl vertikal als auch horizontalKeine explizite Regelung wie Ziele heruntergebrochen und horizontal abgestimmt werden.
Keine explizite Regelung zur Veröffentlichung der ErgebnisseOKRs werden Jedem im Unternehmen zugänglich gemacht
Top-down Prozess der Zielvorgabe, bottom up-Prozess durch Einbringen eigener Lösungsansätze der nächsten EbeneCa. 60% Top Down-Zielvorgabe und ca. 40% Einbringung von Themen aus der nächsten Ebene
Forcieren von Denken in neuen Lösungswegen durch Kopplung an DurchbruchzieleForcieren von Denken in neuen Lösungswegen durch ambitionierte Zielvorgaben (100% Erfüllung nahezu unmöglich)
Kurzzyklischer Umsetzungsprozess auf Basis von PDCA mit Lernen im VordergrundKurzyklischer Umsetzungsprozess auf Basis der agilen Philosophie
Tabelle 1: Hoshin Kanri und OKR im Vergleich

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