Catchball-Prozess bei Hoshin Kanri

Inhouse Training - Erarbeitung strategische Ausrichtung

Die größte Herausforderung bei der Vereinbarung von Zielen liegt darin, Menschen zu motivieren und bei der Umsetzung der Ziele an Bord zu holen.

Genau hier setzt der Catchball-Prozess im Hoshin Kanri an. Anstatt dass Ziele einfach von oben nach unten durchgereicht werden, entsteht ein lebendiger Dialog zwischen allen Ebenen. Führungskräfte und Mitarbeiter werfen Ideen, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten wie einen Ball hin und her, daher der Name „Catchball“.

Das Ziel: Konsens schaffen, gemeinsame Verantwortung übernehmen und sicherstellen, dass strategische Ziele realistisch und umsetzbar sind.

➜ Jetzt Hoshin-Kanri-Beratung ansehen

Ursprung und Bedeutung des Catchball im Hoshin Kanri

Der Begriff „Catchball“ geht auf ein japanisches Kinderspiel zurück, bei dem ein Baseball innerhalb eines Kreises von Kindern hin- und hergeworfen wird. Im übertragenen Sinne bedeutet das für Unternehmen: Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen werden zwischen den Beteiligten diskutiert, angepasst und abgestimmt.

  • Ideen werden aktiv „hin und her gespielt“
  • Jeder Beteiligte kann Feedback geben
  • Entscheidungen entstehen nicht einseitig, sondern durch Austausch

Catchball im Hoshin Kanri unterscheidet sich damit stark von klassischen Management-Methoden wie Management by Objectives (MbO). Während dort Ziele oft top-down vorgegeben werden, schafft Catchball einen echten Dialog über Machbarkeit, Ressourcen und Prioritäten.

Catchball passiert auf allen Ebenen und Bereichen einer Organisation

Der Catchball-Prozess findet in sogenannten Zielklausuren statt, in denen die verschiedenen Ebenen ihre Ziele verhandeln und festlegen. Typisches Beispiel:

  • Die obere Ebene (z. B. Bereichsleiter) präsentiert Unternehmensziele, aktuelle Verbesserungsprojekte und Kennzahlen.Die darunterliegende Ebene (z. B. Abteilungsleiter) muss darlegen, wie sie zu diesen Zielen beitragen kann.

Der Catchball passiert dabei:

  • Vertikal: top-down (von oben nach unten) und bottom-up (von unten nach oben)
  • Horizontal: zwischen Abteilungen und Bereichen, die Einfluss auf gemeinsame Ziele haben

Diese Abstimmungen erfolgen in iterativen Meetings, die fester Bestandteil des Hoshin-Kanri-Prozesses sind.

Catchball Prozess - Prinzip grafisch dargestellt: Hoshin Kanri

Im Kern geht es darum, die Ziele in offenen Diskussionen zu verhandeln:

  • Zielvorgaben, Kennzahlen und Verantwortlichkeiten werden abgestimmt
  • Ressourcen und Kapazitäten werden verteilt und weiterentwickelt
  • Konsens wird über Rollen und Zuständigkeiten geschaffen

Darüber hinaus liefert Catchball ein wichtiges Feedback zwischen den Ebenen: Sind Jahresziele erreichbar? Müssen Prioritäten verschoben oder Ressourcen neu organisiert werden?

Der Prozess ist stark mit Planung und Diskussion verbunden. Oberste Unternehmensziele müssen kaskadiert, konkretisiert und in umsetzbare Aktionspläne übersetzt werden. Auf jeder Ebene entwickeln Führungskräfte gemeinsam mit ihren Teams detaillierte Maßnahmen, die realistisch und erreichbar sind.

Ein Beispiel: Das Unternehmensziel lautet „Fehlerquote um 50 % reduzieren“. Dieses Ziel bedeutet nicht, dass jede Abteilung die Fehlerquote exakt um die Hälfte senken muss.

  • Manche Bereiche haben im Vorjahr bereits große Fortschritte erzielt, dort wäre eine 50-prozentige Senkung unrealistisch.
  • Andere Abteilungen hingegen haben das Potenzial, ihre Fehlerquote sogar deutlich stärker zu reduzieren.

Der Catchball im Hoshin Kanri sorgt dafür, dass solche Unterschiede erkannt und fair berücksichtigt werden.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Erfolg des Catchball-Prozesses

Der Erfolg von Catchball im Hoshin Kanri hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Zum einen von der Fach- und Methodenkompetenz der Führungskräfte, zum anderen von der Bereitschaft der Mitarbeiter, Verantwortung zu übernehmen. Nur wenn beide Seiten in den Dialog treten und bereit sind, ihre Sichtweisen zu teilen, entsteht ein tragfähiger Konsens.

In den Zielklausuren wird üblicherweise diskutiert:

  • Welche Maßnahmen notwendig sind, um die Ziele zu erreichen,
  • Wo es an Kapazitäten oder Fähigkeiten mangelt,
  • Welche Verantwortung übernommen werden muss,
  • Wie die Ergebnisse gemessen und visualisiert werden können.

So entsteht ein realistisches Bild der organisatorischen Fähigkeiten und ein klarer Fokus auf die entscheidenden Hebel. Catchball erfordert dabei nicht nur die Bereitschaft der Mitarbeiter, die Führungsebene wertzuschätzen, sondern auch die Fähigkeit der Führungskräfte, ihren Teams zuzuhören und Vertrauen zu schenken.

Wie umfangreich der Catchball-Prozess ausfällt, hängt von der Struktur des Unternehmens ab:

  • In kleinen Organisationen kann er relativ kurz sein und sich auf zwei Ebenen beschränken.
  • In großen Unternehmen erstreckt er sich oft über mehrere Ebenen und muss sorgfältig und stufenweise geplant werden.

Im Idealfall reicht der Hoshin-Kanri-Catchball bis auf die Mitarbeiterebene hinunter. Jedes Teammitglied erhält dann detaillierte Aktionspläne und weiß genau, welchen Beitrag es zum großen Ziel leisten muss.

Gerade wenn ein Unternehmen zum ersten Mal mit Catchball arbeitet, empfiehlt es sich, klein zu starten: beispielsweise nur bis zur zweiten Ebene. Erst in den folgenden Jahren, wenn der Prozess eingespielt ist, können weitere Ebenen eingebunden werden.

Das Gleiche gilt, wenn bestimmte Führungsfähigkeiten nur in den oberen Ebenen vorhanden sind. In diesem Fall ist es sinnvoll, Catchball zunächst dort anzuwenden und die Ziele nicht sofort bis zur Gruppen- oder Mitarbeiterebene herunterzukaskadieren.

Neugierig geworden? Erfahren Sie mehr über den Catchball-Prozess:

Hoshin Kanri Masterclass

Fundierte Einblicke in die Hoshin-Kanri-Methode und den Catchball-Prozess

Hoshin Kanri Mehode – Beratung

Professionelle Unterstützung bei der Anwendung des Catchball-Prozesses

Hoshin Kanri Webinar – Wöchentlich

Grundlagen der Hoshin-Kanri-Methode – Kostenloses Webinar buchen

Beispiel für den Catchball-Prozess bei Toyota

Toyota gilt als Paradebeispiel für die erfolgreiche Anwendung von Catchball im Hoshin Kanri. Dort werden die Hoshin-Ziele weltweit von der Konzernzentrale bis auf die Gruppenleiterebene heruntergebrochen. Der Prozess dauert rund drei Monate und ist pünktlich zum Start des Geschäftsjahres im April abgeschlossen.

  • Januar: Der Präsident von Toyota hält eine Ansprache. Er blickt auf das vergangene Jahr zurück, stellt das Marktumfeld sowie kommende Herausforderungen vor und beschreibt die zukünftige Ausrichtung.
  • Februar: In den Regionen werden Ziele für Produktion, Vertrieb und Engineering festgelegt. Ende Februar erfolgt die Herunterbrechung auf Werksebene.
  • März: Die Werke setzen Catchball intern fort und kaskadieren die Ziele bis auf die Gruppenleiter-Ebene. Dabei wird auf jeder Ebene vereinbart:
    • Was sind die Ziele dieser Ebene?
    • Mit welchen Methoden können sie erreicht werden?

Spätestens Anfang April stehen dann weltweit die Hoshin-Pläne fest.

Anfangs benötigte Toyota für jede Ebene zwei oder mehr Wochen, um Catchball vollständig durchzuführen. Mit zunehmender Erfahrung und Planung gelang es, den Prozess auf eine Woche pro Ebene zu verkürzen. Eine Kaskadierung über drei Ebenen inklusive Konsolidierung nach oben dauert heute rund zwei Monate.

Besonders anspruchsvoll wird der Prozess, wenn Ziele bis auf die Gruppenebene heruntergebrochen werden. Dann stellt sich die Frage: Wie können diese Ziele konkret erreicht und in Kennzahlen übersetzt werden? Genau hier zeigt sich der kreativste Teil von Hoshin Kanri: es geht darum, Probleme präzise zu verstehen und Wege zur Prozessverbesserung zu entwickeln, die letztlich die großen Durchbruchziele ermöglichen.

Allerdings funktioniert Catchball nicht in jeder Unternehmenskultur. In Organisationen, in denen Ziele traditionell eher niedrig angesetzt werden, um sie leichter zu erreichen, scheitert der Prozess meist. Viele Unternehmen, die Hoshin Kanri einführten, scheiterten zudem daran, dass ein wesentlicher Bestandteil fehlte: das kreative Denken beim Herunterbrechen von Zielen in konkrete Kennzahlen und detaillierte Aktionspläne. Catchball erfordert daher neben Planung auch Zeit, Innovationskraft und Commitment von allen Ebenen der Organisation.

Typische Ergebnisse beim Catchball-Prozess sind:

In der Praxis zeigt sich während der Zielklausuren häufig:

  • Fehlende Ressourcen oder Kompetenzen verhindern die unmittelbare Umsetzung bestimmter Ziele. In diesem Fall wird vereinbart, die Herausforderung zunächst anzuerkennen – mit dem klaren Hinweis, dass aktuell kein adäquater Lösungsweg besteht.
  • Kreative Lösungen entstehen oft erst in den nächsten Catchball-Runden oder während der Umsetzungsphase.
  • Cross-funktionale Zusammenarbeit ist fast immer notwendig. Deshalb sollte bereits vor der ersten Zielklausur überlegt werden, welche Schlüsselpersonen eingebunden werden müssen.
  • Vertiefte Analysen sind in manchen Fällen unvermeidbar. Deshalb wird oft ein Folgetermin in ein bis zwei Wochen angesetzt, um die Ergebnisse zu konkretisieren.

Damit wird deutlich: Der Catchball-Prozess ist nicht nur ein Instrument zur Zielabstimmung, sondern auch ein Motor für kreatives Denken, Kooperation und kontinuierliche Verbesserung.

Vorteile und Nachteile: Durchführung der Zielklausuren mit dem Catchball-Prozess

Vorteile:

  • Hohe Identifikation mit Zielen, da Mitarbeiter aktiv eingebunden sind
  • Mehr Verbindlichkeit durch gemeinsame Verantwortung
  • Bessere Transparenz über Stärken, Schwächen und Ressourcen
  • Realistische Pläne, die von allen Ebenen getragen werden
  • Kultureller Wandel, da Eigenverantwortung und Innovation gestärkt werden
  • Strategischer Fokus: Führungskräfte investieren mehr Zeit in langfristige Ziele

Nachteile und Herausforderungen:

  • Hoher Zeitaufwand, besonders in großen Organisationen
  • Kulturelle Barrieren: In Unternehmen mit stark hierarchischem Denken fällt es schwer, Ziele offen zu verhandeln
  • Abhängigkeit von Führungskompetenz: Ohne geeignete Führung auf allen Ebenen ist Catchball schwer umsetzbar
  • Komplexität: Die Kaskadierung über mehrere Ebenen erfordert Geduld, Planung und Erfahrung

Gerade am Anfang empfiehlt es sich, Catchball schlank zu starten, zum Beispiel nur über die obersten zwei Ebenen und den Prozess Jahr für Jahr zu vertiefen.

Fazit: Hoshin Kanri Catchball als Schlüssel zur Strategieumsetzung

Der Catchball-Prozess macht den entscheidenden Unterschied zwischen Hoshin Kanri und klassischen Zielmanagement-Ansätzen. Statt starrer Vorgaben entsteht ein Dialog, der zu mehr Verbindlichkeit, Transparenz und Innovation führt.

Damit ist Catchball Hoshin Kanri nicht nur ein Planungsinstrument, sondern ein wirkungsvolles Werkzeug, um Mitarbeiter einzubinden, Verantwortung zu fördern und strategische Ziele wirklich zu erreichen.

Häufig gestellte Fragen

Über mich

Dr. Daniela Kudernatsch ist Gründerin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions.

Sie ist eine erfahrene Strategieexpertin mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Fr. Dr. Kudernatsch hat in den Neunzigerjahren praktische Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen gesammelt und berät seit 2001 Unternehmen national und international bei der Einführung von Managementsystemen. Hierzu zählen u.a. Hoshin Kanri, OKR (Objectives & Key Results), Balanced Scorecard, Lean Management.

Außerdem ist sie Bestseller-Autorin zahlreicher Managementbücher und wird häufig zu Key Notes oder Impulsvorträgen gebucht.